Daniel Kunert - Musik-Medienhaus
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Die Orgeln der Stiftskirche St. Pankratius in Backnang

Der listige Organist
Die erste Orgel
Die zweite Orgel
Die dritte Orgel
Die vierte Orgel
Die fünfte Orgel
Das Orgelpositiv
Der listige Organist spekulierte auf des Herzogs Beutel

Seit 500 Jahren Orgelmusik in der Stiftskirche - Immer wieder mußten die Instrumente erneuert, repariert und den Bedürfnissen angepaßt werden
Vor fast genau 500 Jahren wurde zum ersten Mal überliefert, daß in der Backnanger Stiftskirche eine Orgel steht. Damit gehört sie zu den ersten Kirchen im Herzogtum Württemberg, die eine Orgel hatten: ein Zeichen der politischen und kulturellen Bedeutung die das Chorherrenstift hatte.
Einem einmalig glücklichen Umstand ist es zu danken, daß Akten des Hauptstaatsarchivs Stuttgart über Jahrhunderte hinweg beinahe lückenlos über die Schicksale der Backnanger Stiftsorgel berichten können, so daß wir sehr viel über die zum Teil sehr wechselvolle Zeit wissen, die die mittlerweile 5 Orgeln in diesen 500 Jahren erlebt haben, denn das Schicksal jeder Orgel hängt zum einen davon ab, wie eine Person sie zum Klingen bringt, zum anderen aber auch, ob sie regelmäßig gewartet und gestimmt wird. Damit ist der Zustand einer Orgel, wie so vieles andere auch, in erster Linie vom Geld abhängig - Geld, das manchmal gar nicht und manchmal nur sehr schwer aufzutreiben war.

Die erste Orgel (1503-1601)

Seit 1492 regierte der Probst Peter Jakobi von Arlun das Stift. Er war ein bedeutender und gelehrter Staatsmann, ein ausgezeichneter Ratgeber der Herzöge und Mitbegründer der Tübinger Universität. Unter seiner Herrschaft konnte die Stiftskirche umgebaut und erweitert werden: es entstand der gotische Chor mit dem prächtigen Chorgewölbe und der unteren und oberen Sakristei an der Nordseite.
Am 25. September 1503 gestattete Herzog Ulrich dem Stift, auf einer Vikarsstelle einen Priester anzunehmen, der zugleich des Orgelspiels mächtig war. Da die Orgel zum Zeitpunkt dieses Zugeständnisses bereits fertig sein mußte, muß die erste Orgel in der Stiftskirche also zwischen 1500 (der Fertigstellung des Chores) und 1503 (der Zusage des Herzogs) aufgestellt worden sein. Die Orgel hatte ihren Platz auf einer schmalen Empore oder einem Podest ganz im Osten des Chores - dort, wo sich heute der Chor-Altar befindet. Welcher Orgelbauer diese Orgel gebaut hat, wissen wir leider nicht, wir wissen nur, da sie höchstens 8 Register gehabt haben kann, denn für die spätere zweite Orgel wurden 8 Register vorgeschlagen, um das alte Gehäuse verwenden zu können.

1561/62 wird Orgelmacher Paul Liebleben aus Heilbronn gerufen, um eine größere Instandsetzung durchzuführen. Die Kosten dieser Reparatur beliefen sich auf 110 Gulden. Liebleben galt zu der damaligen Zeit als einer der führenden Orgelbauer, der sowohl eine Orgel für die Kilianskirche in Heilbronn, die Michaelskirche in Schwäbisch Hall, als auch für die Dionysiuskirche in Esslingen baute.
Die zweite Erneuerung erfolgte 1584/85 durch den Schreiner und Orgelmacher Sixt Mayer und kostete 89 Pfund.
Bei seiner Dekanatsvisitation 1599 in Backnang befand der Pfarrer und Superintendent M. Johannes Osiander aus Marbach am Neckar jedoch die Orgel über die Maßen als mangelhaft und fast nicht mehr brauchbar und empfahl für die Orgel eine Generalüberholung, die sich jedoch bei näherer Betrachtung als nicht realisierbar herausstellte.

Die zweite Orgel (1601-1693)

1600 wurde vom Herzog eine neue Orgel genehmigt. Der Stuttgarter Orgelbauer Marx Guntzer, der später nach Augsburg zog und dort zu den namhaftesten Orgelbauer seiner Zeit gehörte, fertigte einen Entwurf für ein neues Werk mit 8 Registern unter Verwendung des alten Gehäuses an. Dieser Entwurf mitsamt der geplanten Disposition ist heute noch erhalten und gehört zu den ältesten Dokumenten seiner Art! Jedoch zeigte es sich wenig später, daß das alte Gehäuse doch nicht mehr zu verwenden war und ein neues gebaut erden mußte. Da das neue Gehäuse größer war als das vorherige, war es nicht mehr möglich, die zweite Orgel auf den Platz der ersten Orgel zu stellen und so entschied man sich, von der oberen Sakristei die Nordseite des Chores zu durchbrechen und die Orgel dort als Schwalbennestorgel auf einer kleinen Empore aufzubauen.
Am 8. November 1601 war die Orgel fertig. Lediglich die Holzverschalung für die Blasebälge und die Bemalung fehlte noch und dadurch mußten auch die Gerüste stehen bleiben und verunzierten lange Zeit den Kirchenraum. Allerdings war bei dieser Maßnahme Kalkül mit im Spiel, denn der damalige Organist Schretlin hoffte zusammen mit dem neuen Stiftsverwalter Johann Leonhard Stahel, der Fürst Herzog Friedrich werde im Sommer wieder zur Hirschjagd kommen, und beide spekulierten darauf, daß, wenn der Fürst beim Besuch der Kirche den Klang der Orgel hören und die Gerüste sehen würde, er für die Bemalung der Orgel schon sorgen werde. Die Rechnung ging tatsächlich auf: Am 12. August 1605 kam der Befehl des Herzogs, der Stiftsverwalter solle sich wegen Bemalung der Orgel mit dem Maler Georg Donauer in Stuttgart in Verbindung setzen und außerdem vom Orgelmacher Guntzer die Orgel stimmen lassen.
Erst im Jahre 1623 mußte dann die Orgel wieder repariert werden - dieses mal aber bekam nicht Marx Guntzer den Auftrag, sondern der billigere Orgelmacher Jakob Ganßer aus Stuttgart wurde bevorzugt. Eine erneute Stimmung wurde 1656 durch Michael Jeremias Sinn aus Schwäbisch Hall durchgeführt.
Eines Tages, als Fürst Herzog Eberhard III. einmal wieder zur Schweinehatz in Backnang war, regte dieser bei seinem Kirchenbesuch an, es wäre doch schön, wenn bei einer solch guten Orgel auch andere Instrumentalisten zusammen mit der Orgel musizieren würden, worauf 1665 der Stiftsverwalter in einer Eingabe antwortete: "sie hätten bereits Posaunen und Zinken, aber der Platz auf der Orgel sei zu eng und sie bitten um 25 Gulden zur Erweiterung". Immerhin wurden ihnen zehn Reichstaler dafür bewilligt.
Großes Unglück brachte der 30-jährige Krieg mit Brand und Pest über die Stadt - ein weiterer Schicksalsschlag folgte dann durch den beim Einfall der Franzosen gelegten Stadtbrand, der am 25. Juli 1693 auch die Stiftskirche und damit die Orgel vernichtete. In dem erschütternden Bericht des alten Stadtschreibers Johann Jakob Weißer heißt es am Schluß: "Da war bei der heiligen Tempelladen weder Glocken noch Orgel, weder Dach noch Stuhl."

Die dritte Orgel (1702-1895)

Beinahe ein Jahrzehnt hatten nun die Backnanger keine Orgel für ihren Gottesdienst. Um 1700 holte man Johann Michael Schmahl, den "kunstberühmten" Orgelmacher aus Heilbronn herbei. Im Beisein des Hoforganisten Philipp Jakob Bödecker verfertigte Schmahl einen Entwurf für eine neue Orgel mit 12 klingenden Register: 10 im Manual und 2 im Pedal. Die Orgel wurde genehmigt und konnte 1702 im Osten des Chores, am Platz der ersten Orgel aufgestellt werden. Auch dieses Instrument forderte seine Pflege: 1712, 1732, 1745, und 1764 wurde die jeweils gestimmt, repariert oder ausgereinigt. Es zeigte sich allerdings, daß der Klang der Orgel die Kirche kaum füllen konnte. 1777 wurde das Instrument durch den Orgelmacher Johann Jakob Pfeifer um 20 Fuß (beinahe 6m) nach vorne gerückt - jedoch ohne großen Erfolg. 1787 hatte Orgelmacher Pfeifer im Frühjahr wieder an der Orgel gearbeitet und ein Gambaregister statt eines anderen eingebaut. Der Schulmeister Friedrich Gottlieb David Riedel, der auch gleichzeitig Organist an der Stiftskirche war, war jedoch sehr unzufrieden und beschwerte sich über die schlechte Arbeit. Der Orgelmacher sagte daraufhin dem Organisten, er verstehe eine Dreck von einer Gamba, worauf dieser ihn einen Flegel und betrogenen Gesellen nannte und ihm Schläge androhte. Später erklärte dann Riedel in seinem Bericht, die Orgel sei nicht ganz so schlecht, wie berichtet,aber man müsse alles ärger machen, wenn man bei dem herzöglichen Kirchenrat etwas erreichen wolle.
Der Zustand der Orgel verschlimmerte sich im Laufe der Zeit immer mehr: bei einer Abendmahlsfeier und bei der Konfirmation 1865 versagte sie ganz. Ein technisches Gutachten vom 23. September 1859 von Musikdirektor Frech in Eßlingen lautete alles in allem, die Orgel können kaum wieder hergestellt werden. Und doch dauerte es noch 36 Jahre, in denen die Orgel zwischen Leben und Tod schwebte, zur Qual für den Organisten und auch für die Gemeinde.
Am Osterdienstag 1895 wurde sie endlich abgebrochen. Die Pfeifen wurden als altes Zinn verkauft, das Holz, soweit noch brauchbar, wieder verwendet. Einige Teile dieser über 170 Jahre alt gewordenen Orgel sind bis heute erhalten: Es sind geschnitzte, weiß bemalte Akanthusranken, die die Pfeifen umrahmt haben. Sie können in der Krypta der Stiftskirche besichtigt werden.

Die vierte Orgel (1895-1956)

Am Kirchweihfest, 20. Oktober 1895 konnte die neue Orgel mit einem Festgottesdienst eingeweiht werden. Sie wurde erbaut von der Orgelbauanstalt Eberhardt Friedrich Walcker in Ludwigsburg. Die Orgel hatte 30 klingende Register mit insgesamt 1893 Pfeifen, zwei Manuale und ein Pedal. Die Kosten betrugen 13.000 Mark. Ein Bild dieser romantischen, pneumatischen Orgel hängt am Eingang zur Sakristei in der Stiftskirche. Die Firma Walcker stiftete außerdem für die Orgel eine Statue des König Davids, die noch heute an der Wand der Sakristei der Stiftskirche zu besichtigen ist.
Der Organist von 1900 an war Wilhelm Seiz, der zur gleichen Zeit Lehrer an der Volksschule war. Seiz war nicht nur ein virtuoser Orgelspieler, er verstand vor allem auch das komplizierte technische Wunderwerk seines Instrumentes. War er nicht auf der Orgelbank zu finden, so befand er sich oft im Inneren der Orgel, um irgend etwas zu reparieren oder eine Pfeife zu stimmen. Außerdem entwickelte Seiz einige neue Register und verbesserte die Orgel kontinuierlich über die Jahre hinweg: Im Jahre 1921 erhielt die Orgel einen elektromotorischen Ventilator an Stelle des früher durch den Orgeltreter bedienten Gebläses, 1926 wurde ein Registerschweller und ein Schwellkasten eingebaut, 1927 kam eine Sub- und eine Super-Oktavkoppel hinzu und 1929, als die Orgel von der östlichen Seite auf die westliche Empore verlegt wurde, wurden 5 neue Register eingebaut, u.a. ein von ihm selbst entwickeltes Register mit Namen Rohrhorn 8'.
1956, in der Woche nach Ostern, mußte die Orgel vollständig abgebrochen werden, da die Kirche für Bauarbeiten ganz leer sein mußte. Leider wurde im Zuge dieser Maßnahme festgestellt, daß weite Teile der Orgel vom Holzwurm befallen waren, so daß der Kirchengemeinderat schweren Herzens beschließen mußte, eine neue Orgel zu beschaffen.

Die fünfte Orgel (seit 1958)

Am 5. Oktober 1958 wurde das neue Instrument eingeweiht. Es wurde von der Orgelwerkstätte Friedrich Weigle erbaut, hat 45 Register, verteilt auf 3 Manuale und Pedal. Dabei wurden 2/3 der alten Pfeifen der Vorgänger-Orgel wiederverwendet und das neue Instrument war der Stolz der Stiftskirche.

Seit dieser Zeit hat die Orgel all die Jahre hindurch treu und zuverlässig ihren Dienst getan und die vielen Gottesdienste, Trauungen und Konzerte mit ihrem Klang wesentlich verschönert und mitgestaltet. Doch auch an unserer heutigen Orgel nagte der Zahn der Zeit und so musste das Instrument 2007 durch einige grundlegende und aufwändige Reparaturen saniert werden. Die renommierte Orgelbaufirma Lenter aus Sachsenheim bekam den Auftrag, die Orgel:

· komplett auszureinigen
· die Windladen-Dichtungen zu reparieren
· die Spiel- und Registertraktur zu überholen
· eine neue Setzer-Anlage einzubauen
· einige Register auszutauschen
· die gesamte Orgel neu zu intonieren

Am Ewigkeitssonntag, 25. November 2007 (mit einem beeindruckenden Orgelkonzert von Prof. Christoph Bossert) und am 1. Advent, 2. Dezember 2007 (mit einem Festgottesdienst) konnte die Orgel nach 7 Monaten, in denen sie schweigen musste, endlich wieder eingeweiht werden!

Die Disposition der Orgel von Weigle 1985 - Lenter 2007

Schwellwerk (C - g''')

Hauptwerk (C - g''')

Rückpositiv (C - g''')

Pedal (C - f')

Stillgedackt 16' (Quintade) Bordun 16' Gedackt 8' Untersatz 32'
Geigenprincipal 8' Principal 8' Principal 4' Principalbass 16'
Rohrgedackt 8' Rohrflöte 8' Rohrflöte 4' Subbass 16'
Salizional 8' Gamba 8' Principal 2' Octavbass 8'
Vox celeste 8' Octave 4' Sesquialter 2 fach Cello 8'
Principal 4' Flöte 4' Zimbel 3 fach Spitzflöte 8'
Querflöte 4' Octave 2' Rankett 16' Quinte 5 1/3'
Nasard 2 2/3' Mixtur 5 fach Vox humana 8' Choralbass 4'
Waldflöte 2' Cornett 3-4 fach Tremulant Hintersatz 3 fach
Terz 1 3/5' Fagott 16' Posaune 16'
Mixtur 3-4 fach Trompete 8' Trompete 8'
Clarinette 8' Clarine 4'
Oboe 8'

Termulant


Koppeln:
III-III 16' elektrisch; I-II mechanisch; III-II elektrisch; III-II 16' elektisch; I-Ped; II-Ped; III-Ped elektrisch; III-Ped 4' elektrisch

Schleifladen: mechanisch
Traktur: mechanisch
Setzer mit 8000 Kombinationen

Disposition des Orgelpositiv von Michael Kreisz (1997) im Altarraum

Das Orgelpositiv der Stiftskirche wurde 1998 von der Firma Kreisz (Schwäbisch Gmünd) gefertigt. Es ist eine Truhenorgel mit 6 Registern und geteilten Schleifen.

Holzprinzipal 8‘ (ab f)
Bourdon 8‘
Rohrflöte 4‘
Quinte 2 2/3‘ (ab c°)
Prinzipal 2‘
Oktävlein 1‘


Transponiereinrichtung a` = 415 Hz


Mit freundlicher Genehmigung der Kirchengemeinde
OI-B-4
weiterführende Links:

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