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Die Orgel der Chiesa di Santa Maria degli Angeli (auch Chiesa della Gancia genannt) in Palermo (Sizilien) Italien

Informationen zur Orgel
Disposition
Die „Raffaele La Valle / Giacomo Andronico“ Orgel der „Chiesa della Gancia“ in Palermo

Sizilien, (wie im übrigen Italien) ist voll von historischen Denkmalorgeln. Die sizilianische Orgelbautradition ist mit der norditalienischen Orgelbauschule verbunden, hat sich aber dennoch eine ganz eigene klangliche Qualität behalten und ist somit als „sizilianische Schule“ ein Unikat in Europa. Der Verfasser dieses Berichtes ist ein Organist, Musiker, Schriftsteller, der sich seit mehr als 30 Jahren für die Erhaltung der alten und historischen Orgeln und der Akzeptanz von Orgelmusik in Sizilien einsetzt.

Vor kurzer Zeit versuchte der Musikverein „Albert Schweitzer Palermo“, die einzige Cavaillé-Coll-Orgel der Stadt zu retten. Es war ein kleines Instrument mit zwei Manualen und Pedal, welches trotz zahlreicher Beschwerden schmählich abgebaut wurde.
Die wichtigste Orgel in der Kathedrale von Monreale mit 6 Manuale und Pedal (einst über die Stadtgrenzen hinaus bekannt durch die berühmte Woche der Kirchenmusik) ist in einem beklagenswerten Zustand und seit vielen Jahren schon nicht mehr spielbar.
In der Kathedrale von Cefalù gab es zwei Orgel aus 16. Jahrhundert. Diese liegen derzeit in der Orgelbauwerkstatt Pinchi und warten auf das Ende eines langen bürokratischen Prozesses.

Dies Schicksal teilt auch die historische monumentale Orgel der „Chiesa della Gancia“ in Palermo“. Seit Jahren ist, trotz der Zusammenarbeit berühmter Organisten wie Jean Guillou, Johannes Skudlik, Claudio Brizi und bekannter Orgelbauer wie Schmidt, Pinchi, Ruffatti, nichts passiert. Die Orgel ist von Termiten und Krebsen zerfressen.

Im Jahr 2005 wurde durch die Arbeit des Albert-Schweitzer-Vereins Palermo, deren Gründer ich bin, eine geringstmögliche Wartung in Auftrag gegeben. Die Finanzierung geschah allein durch Konzerte.
Im Jahr 2010 beraubte ein Motorschaden den Balg der Luft. Das Instrument schwieg für vier Jahre und ist heute in einem bedenklichen Zustand. Der Prospekt ist stark beschädigt, die Pfeifen durch Termiten und Bleißfraß angegriffen. In voraussichtlich drei bis fünf Jahren wird die Orgel irreparabel beschädigt sein.
Aus diesem Grund lud der Albert-Schweitzer-Verein Palermo am 26. Januar 2013 in der Chiesa della Gancia zu einer Veranstaltung, in deren Ablauf auf den Zustand des Instrumentes – nach Meinung von Experten ein Unikat – hingewiesen und die Restaurierung angekündigt wurde. Leider hat die Restaurierung bis heute – trotz vorhandener Geldmittel – nicht begonnen


Das Instrument von Raffaele La Valle, erbaut im Jahr 1615, war im Jahr 1772 von Giacomo Andronico, der das vorhandene Material des alten Instruments wiederverwendete, umgebaut und erweitert worden.

Folgende Veränderungen wurden durch Andronico durchgeführt:
1) Umbau des Prospektes von fünf auf drei Pfeifengruppen
2) Neue Intonation und Stimmung des bestehenden Materials
3) Trennung des „Ripieno“ in verschiedene Register und Einarbeitung neuer, zusätzlicher Flötenregister

Die Orgel in der Kirche La Gancia in Palermo ist ein wunderbares Beispiel für die sizilianischen Orgelbaukunst Anfangs 17. Jahrhunderts. Die imposante Fassade der 16 ' Principale (italienisches Principal), das kunstvolle Gehäuse und die fast vollständig und unverändert erhaltenen Pfeifen machen dies Instrument zu einer historischen Besonderheit

Nach dem Umbau im Jahre 1772 durch den Orgelbauer Giacomo Andronico wurde die Orgel erst im letzten Jahrhundert wieder umstrukturiert. Diesem Umbau der Orgelbaufirma Tamburini fielen die alten Windladen, die Klaviatur, das Pedal und die alten Bälge zum Opfer

Durch den ausgezeichneten Erhaltungszustand der alten Pfeifen ist es möglich, die Orgel wieder dem Ursprungszustand (viel näher am Original von Raffaele La Valle, als man denkt) nahe zu bringen. Giacomo Andronico hatte eigentlich nur eine neue Orgel (unter Veränderung des Prospektes) mit den alten Pfeifen von Raffaele La Valle gebaut. Orgeln von beiden Orgelbauern sind nur sehr selten erhalten geblieben!



Die Orgel steht auf der Empore über der Eingangstür, plaziert auf drei Bögen, gehalten von verzierten Säulen. Die Balustrade ist aus Holz, aufwändig mit Malereien verziert.
Gemälde, Vergoldungen und Stuck sind so stark beschädigt, dass vom Kirchenschiff aus der Eindruck entsteht, dass keinerlei Dekorationen vorhanden seien. Die Farbgebung ist verloren gegangen und teilweise der Untergrund sichtbar.

Der Prospekt ist mit 27 Pfeifen (9 + 9 + 9) zum Teil mit hohem Bleigehalt auf drei Gruppen angeordnet und mit Flachprofil, linientreuden Mündern, mit oberem Labium in Mitra Form. Die imposante Fassade des Prinzipal 16' und die verwendeten Materialien sind sicherlich von Raffaele La Valle, leider ist die Stabilität der Prospektpfeifen derzeit nicht gegeben.

Die historische Bedeutung dieses Werkes ist auf die Ursprünglichkeit des Materials zurückzuführen. Lediglich die Spieltraktur wurde durch die Firma Tamburini elektrifiziert. Die Pfeifen von Raffaele La Valle, ausgenommen einiger Ergänzungen von Giacomo Andronico, sind fast alle original geblieben und auch die Intonation ist glücklicherweise original geblieben.

Die alte Tastatur hatte eine Teilung und einst war eine zusätzliche Windlade für die fehlenden Töne eingebaut. Es war ein Glück, weil so die richtigen Proportionen des Durchmessers erhalten geblieben sind. Die Pfeifen in der zusätzlichen Windlade sind fast alle modern. Die alten Pfeifen wurden offensichtlich beschnitten um die gleiche moderne Stimmung wie die zweite Orgel mit elektrischer Traktur hinter dem Altar zu erreichen.

Die Farben und die Schweiße sind typisch von Raffale La Valle. Auch der hohe Bleigehalt, sehr dick, ziemlich grob verschweißt und die gehämmerte Metallplatte. Der schmale Durchmesser und die kleine Mensur des Pfeifenfußes, zusammen mit den älteren Schreibweisen, lassen keinen Zweifel an Ursprung dieser bereits bestehenden Orgelpfeifen zu. Ende der 60er Jahre elektrifizierte die Orgelbaufirma Tamburini das Instrument, aber es sind unverändert die akustischen Eigenschaften der „La Valle – Andronico“ Orgel vorhanden. Bei dieser Orgel treffen also drei Perioden sizilianischer Orgelbaukunst aufeinander.

Die berühmte Orgelbaufirma Pinchi aus Foligno (I) hat eine Broschüre produziert, in welcher eine historische, behutsame Wiederherstellung (außer Orgelgehäuse) gut beschrieben ist. Dieses Unternehmen war oft an Wiederherstellungen und Reparaturen an dieser Orgel, im Interesse des kulturellen Erbes der Region, beteiligt.
Ein Team von Experten (Paolo Springhetti, Organologe und Organist; Claudio Brizi, Organologe und Konzertorganist; Johannes Skudlik, Organist und künstlerischer Leiter des Europa-Orgelfestivals in München ) arbeitete daran, nicht nur wissenschaftliche Kenntnis dieses bedeutenden Instrumentes zu erringen, sondern auch dessen Ästhetik und philosophische Bedeutung hervorzuheben. Der an die Verantwortlichen gestellte Antrag, einen Beitrag der Region Sizilien (Kultur und Umwelt) und eine Finanzierung durch den FEC (Baufonds für Kirchen,Innenministerium in Rom) zu erwirken, wurde verweigert.

Der Verfall einer Kultur und einer Gesellschaft ist genau hier zu finden!

Diese sehr alte Orgel ist der Schmelztiegel der antiken Kunst; eine Kreuzung mehrerer Künste, einschließlich der Alchemie. Vernachlässigen wir Meisterwerke dieser Art, dann verleugnen wir unsere Vergangenheit und gestalten eine Zukunft ohne Seele.

Vito Franco Gaiezza (alias Anton Phibes)
Übersetzung von Paolo Springhetti mit freundlicher Mitwirkung der Orgelfreundin Anita Knögel.

Disposition
Erbaut 1615 von Raffaele La Valle
Umbau 1772 durch Giacomo Andronico
weitere Umbauten und Reparaturen ...

Manual Pedal

Principale 16'

Contrabbasso 16

Principale 8'

Ottava 4'

XV I 2' ( XII 2 2/3'?)

XV II 2'

XIX - XIX 1 1/3'

XXII - XXII 1'

XXVI - XXVI 2/3'

XXVI ( XXIX?) 1/2'

Flauto 4

Flauto XII

Flauto XV

Flauto XVII

Voce Umana

Ripieno / Tutti
Koppel M/P

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Vielen Dank.


Mit freundlicher Unterstützung und Genehmigung von Paolo Springhetti
OI-P-12