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Die Orgel in St. Jakobus Ilmenau

Geschichte der Orgel - ein Überblick
Geschichte der Orgel

Disposition

Geschichte der Orgel - ein Überblick

1857-58 – Bau der sechsten Stadtkirchenorgel durch Orgelbauer Nicolaus Schrickel aus Eilenburg.Die Abnahme erfolgt am 3. Februar 1858. Der Ilmenauer Tischlermeister Friedrich Fleischhack baute das Orgelgehäuse, das auch für die Walcker-Orgel weiter verwendet wird.
Schon sehr bald treten immer stärkere Mängel am Instrument auf. Am 7. Mai 1911 wird die Orgel zum letzten Mal gespielt.

1911 – Am 25. Juni wird die neue Orgel der Firma E. F. Walcker aus Ludwigsburg (opus 1609) geweiht. Vorausgegangen waren aufwändige Planungen besonders die Auswahl der Firma, die Klanggestalt (mehrere Orgelreisen Schmucks) und die Finanzierung betreffend. Die Kirchgemeinde allein war nicht in der Lage das Instrument zu finanzieren; der größte Teil der Kosten wurde von Ilmenauer Bürgern aufgebracht. Hauptinitiator und Motor des aufwändigen Neubaus ist der Organist Edwin Schmuck.

1917 – Nachdem im März, trotz massiven Einspuchs von Organist Schmuck, beschlossen worden war die Zinnpfeifen des Orgelprospektes abzugeben (Kaiserlicher Erlass zum Gewinnen von Kriegsmaterial), werden die Pfeifen im September ausgebaut (Vergütung mit 2.996 Mark), zusammengetreten, in einem Schuppen bis nach Kriegsende gelagert und dann wohl vergessen. Die leeren Pfeifenfelder im Prospekt werden mit Krepp-Papier verhüllt.

um 1930 – Einbau neuer Prospektpfeifen aus Zink durch die Firma Walcker. Gleichzeitig erfolgt ein Ausreinigen, Nachintonieren und Stimmen. Pläne, die Orgel um ein Fernwerk im Altarraum zu ergänzen, werden nicht verwirklicht.

nach 1940 – die Einführungstritte werden funktionslos geschaltet.

1950 – Einbau eines Tremulanten für das III. Manual durch die Orgelbaufirma Laubs aus Erfurt/Gispersleben.

1957 – Der damalige Organist Klaus-Ekkehard Ibe initiiert eine erste „Barockisierung“ der Orgel. Aus der Viola 8’ im III. Manual wird Ital. Prinzipal 1’ (neu gebaut), das Violoncello 8’ des Pedals wird zum Flötenbass 2’. Pfeifen werden umgestellt. Die Arbeiten führt wieder die Firma Laubs aus.

1961 – Generalüberholung duch die Firma Sauer aus Frankfurt/Oder. Dem durch die zweite Orgelbewegung geprägten veränderten Zeitgeschmack folgend werden insgesamt 8 Registerverändert oder neu gebaut. Das Instrument wird ausgereinigt, gestimmt, nachintoniert und technisch überholt. Ein neu gebauter Spieltisch der Firma Sauer funktioniert nach völlig anderen Prinzipien als das Originalsystem von Walcker.

bis 1991 – Infolge fehlender finanzieller Mittel zur angemessenen Orgelpflege in der damaligen DDR stellen sich im Laufe der Zeit immer stärkere Mängel ein. Zwar wird schon 1986 durch ein Gutachten der Firma Schuke/Potsdam auf die Denkmalwürdigkeit des Instrumentes hingewiesen, doch braucht es noch einmal 7 Jahre und den gesellschaftlichen Umbruch in Deutschland bis zur schließlichen Orgelrenovierung.
Im Sommer 1991 findet eine erste Orgelbesichtigung durch Christian Scheffler und den Intonateur Matthias Ullmann statt. Der Zustand der Orgel ist erschreckend. Anfang Dezember kommt es zum Vertragsabschluss mit der jungen Firma Christian Scheffler aus Sieversdorf bei Frankfurt/Oder.

1993 – Ende Oktober Abschluss der im Februar 1992 begonnenen Restaurierungsarbeiten durch die Orgelwerkstatt Christian Scheffler. Die Wiedereinweihung wird am ersten Advent gefeiert. Das Instrument wird weitgehend auf den Stand von 1911 zurückgeführt. Der von der Firma Heuss (Lich/Hessen) neu gestaltete Spieltisch ist dem ersten Spieltisch von Walcker im Wesentlichen nachempfunden. Neben den Orgelbauern ist besonders dem damals neu gegründeten Orgelverein und dem Kirchenmusiker Steffen Rieche zu danken. Durch ihr großes Engagement (und auch durch das vieler nicht namentlich Genannter) ist die mustergültige Wiederbelebung dieser bedeutenden Stimme in der mitteldeutschen Orgellandschaft aufs Beste gelungen.

Seit 1993 – klingt die Orgel wieder in Gottesdienst und Konzert. Weit über Ilmenau hinaus findet das Instrument Beachtung. Bisher wurden sieben CDs eingespielt. Viele Gastorganisten kommen immer wieder, weil die Orgel so schön ist. Immer wieder aber kostet die Wartung und Pflege des Instruments auch Mühe, Beharrlichkeit und Geld. Als nächste größere Arbeit steht wieder eine Ausreinigung an. Auch die wird nur durch finanzielle Hilfe von Außen zu bewerkstelligen sein. Aber das ist eine andere Geschichte.

(Hans-Jürgen Freitag)

Geschichte

Die Walcker-Orgel der Ilmenauer St. Jakobuskirche wurde von der Firma E. F. Walcker & Cie erbaut und am 25. Juni 1911 in einem Festgottesdienst feierlich geweiht. Sie ist Thüringens zweitgrößte Orgel und gehört zu den bedeutenden Instrumenten im mitteldeutschen Raum. Schon ihre Größe ist beeindruckend: Auf drei Manuale und Pedal verteilen sich 65 Register. Fünf der Pedalregister sind Transmissionen aus Schwell- und Hauptwerk, beim Register „Glockenspiel” wird ein Metallophon angeschlagen. Der Stimmton liegt mit a' = 435 Hz deutlich unter dem heute üblichen. Die Orgel hat Taschen- und Kegelladen. Ihre elektropneumatische Traktur war zum Bauzeitpunkt eine brandneue, moderne Technik.

Besonders hervorhebenswert sind die hohe handwerklich-künstlerische Qualität sowie das Klangkonzept und dessen konkrete Verwirklichung. Nicht nur der breit ausgebaute Grundstimmenbereich sondern auch dessen Koppelung mit klassischen Stilelementen ist faszinierend und überzeugend. In jedem der 4 Werke gibt es einen voll ausgebauten Prinzipalchor. Sowohl Prinzipale als auch weit mensurierte Register, als auch Streicher, als auch Zungenstimmen können, oft als Gruppen, werkweise gegenübergestellt werden. Es gibt besondere Stimmen wie z. B. das „Cornett” (Nr. 14), die Aliquoten oder die „Gemshornregister” (Nr. 7 und 11). Die Dynamik reicht von den leisesten Tönen der Äoline im geschlossenen Schwellwerk bis zum gewaltigen vollen Werk mit Super- und Suboktavkoppeln. Für die Superoktavkoppeln sind in Positiv und Schwellwerk die 16-, 8- und 4-Fußstimmen bis zum a'''' ausgebaut.

Erhellend für die dem Instrumentenbau zugrunde liegende Ästhetik ist die ausdrückliche Erwähnung von Johann Sebastian Bach, Gottfried Silbermann und Max Reger in der Festschrift zur Orgelweihe von 1911.

Der damalige Firmenchef Oscar Walcker erbaute eine Orgel, deren Klang durch den Einfluss der elsässisch-neudeutschen Orgelreform geprägt ist: Der Straßburger Organist Émile Rupp, aber auch der eher als Arzt, Philosoph und Theologe bekannte Albert Schweitzer entwickelten die Idee einer französisch-deutschen Orgelsynthese, die in der Jakobuskirche sofort auffallend und hörbar wird. Mit Émile Rupp hatte der Initiator des Ilmenauer Orgelbaus, der Organist Edwin Schmuck, regen Kontakt in der Phase der Orgelplanung. So wird die deutsch-französische Konzeption im zungendominierten Schwellwerksklang oder in den von den französischen Appels inspirierten Einführungstritten sichtbar. Auch die Nomenklatur verdeutlicht dieses Phänomen: Das französische „Basson" (Nr.65) klingt genau wie die „Trompête harmonique” (Nr. 66) einträchtig mit der deutschen „Oboe” (Nr. 76) oder dem „Lieblich Gedackt” (Nr. 55) zusammen. Bei allen Verschmelzungseffekten wird das Instrument jedoch keineswegs zum musikalischen Bastard, sondern besitzt trotzdem ein unverwechselbares Gesicht, eine eigene Klangpersönlichkeit.

Einen großen Anteil daran hat die meisterliche Renovierung durch die Orgelwerkstatt Christian Scheffler aus Sieversdorf (Frankfurt/O.), die 1993 abgeschlossen wurde. Die bis dahin vorgenommenen Veränderungen an Pfeifenwerk und technischem Apparat wurden dabei wieder rückgängig gemacht und der Zustand des Jahres 1911 weitgehend wiederhergestellt. Die Intonateure Matthias Ullmann und Tino Herrig bewirkten im klanglichen Bereich geradezu Wunder: Nur sehr selten findet man bei einer Orgel um 1900 eine solch edle und ausgeglichene Intonation.

Die üppige sinfonische Anlage, die Fähigkeit zum Kammermusikalischen, Farbigkeit, Klassizität, Adel von Einzelstimmen und Aliquoten, Wucht und Transparenz im Pleno, Zartheit und Präsenz, dynamische Flexibilität, Sinnlichkeit der Streicher, Flöten- und Zungenstimmen, eine schier unendliche Zahl von Kombinationsmöglichkeiten der Register (man könnte diese Liste problemlos weiter fortsetzen) – all dies macht die Orgel der Ilmenauer St. Jakobuskirche zu einem Instrument, das die Darstellung der meisten Orgelwerke ab der Bach-Zeit ausgesprochen erfreulich macht. Für die Kompositionen Regers und einen Großteil der Musik des späten 19. und des 20. Jahrhunderts - wenn die Musik nicht gerade die Schleiflade oder konzeptionelle Ideen der 2. Orgelbewegung erheischt - dürfte die Ilmenauer Walcker-Orgel ein ideales Klangmedium sein.

Disposition

I. Manual Hauptwerk II. Manual Positiv

III. Manual Schwellwerk

Pedal
Principal 16' Quintatön 16' Lieblich Gedeckt 16'

Principalbaß 16'

Bourdon 16' Principal 8' Geigenprincipal 8' Violonbaß 16'
Principal 8' Rohrflöte 8' Lieblich Gedackt 8' Subbaß 16'
Doppelflöte 8' Flauto amabilé 8 Konzertflöte 8' Bourdon 16' (Transm)
Gedeckt 8' Quintatön 8' Viola 8' Harmonikabaß 16'
Gamba 8'

Salicional 8'

Aeoline 8' Quintbaß 10 2/3
Gemshorn 8' Prinzipal 4' Voix céleste 8' Oktavbaß 8'
Dolce 8' Flauto traverso 4' Flûte octaviante 4 Violon 8'
Octave 4' Quinte 2 2/3' Fugara 4' Bourdon 8'
Rohrflöte 4' Piccolo 2' Flautino 2' Violoncello 8' (Transm.)
Gemshorn 4' Mixtur 4fach 2 2/3' Sesquialtera 2fach 2 2/3', 1 3/5' Zartbaß 8' (Transm.)
Quinte 22/3' Clarinette 8' Cymbel 1' 3 fach Principal 4'
Oktave 2' Glockenspiel Basson 16' Cornettbaß 5fach
Cornett 8' 3-5fach Trompête harmonique 8' Bombarde 32' C - H
Mixtur 2 2/3' 5fach Oboe 8' restl. Pfeifen (Suboktavkoppel)
Scharff 1 1/3' 4fach Clairon 4' Posaune 16'
Trompete 8'
Basson 16' (Transm.)
Cor anglais 4' Tremulant Trompete 8'
Clairon 4' (Transm.)

Koppeln: 
II/I; III/I; III/II; Super II/I; Super III/I; Sub II/I; Sub III/I; Leerlaufkoppel
I/P; II/P; III/P; Super Pedal


Mit freundlicher Genehmigung von Christian Daether
OI-I-4
weiterführende Links:

Webseite Walcker-Orgel Festival