Daniel Kunert - Musik-Medienhaus
Das Portal der Königin

- Startseite - Rezensionen - „Denn Silbermann wird aus dem Werck erkennt“


„Denn Silbermann wird aus dem Werck erkennt“

Interpret: Lucas Pohle
Instrument: Silbermann-Orgel Crostau
Label: Rondeau


Die Titel gebende Zeile stammt aus dem Weihegedicht zur Crostauer Orgel (1732, II/20), die der Musik und Literatur liebende damalige Besitzer des Rittergutes Crostau in der Oberlausitz Christian Heinrich Graf von Watzdorff gestiftet hatte. Wie bei den großen Instrumenten in Dresden und Zittau bekam das Instrument einen Manualumfang bis d3, was den Rang des Stifters und den des Orgelbauers verdeutlicht. 1795 wurden 38 der größten zinnernen Pfeifen gestohlen, die Christian Gottfried Herbrig aus Taubenheim 1808 durch folierte Holzpfeifen ersetzte. Eine erste grundlegende Reparatur erfolgte erst 1861 durch Carl Eduard Schubert aus Adorf, der das Instrument hochschätzte. Vor dem Abbruch der alten Kirche im Jahre 1868 wurde die Orgel durch Jehmlich auf den Malzboden der Brauerei ausgelagert und 1870 in der neu errichteten Kirche von Schubert wieder aufgestellt. Das Register Quinta 1 ½‘ musste 1914 durch Johannes Jahn, Dresden, einer Aeoline weichen, wurde 1933 aber ersetzt von Eule, der die Orgel dabei durch Umhängen der Traktur auf die damals übliche Stimmtonhöhe brachte und je zwei Töne C und Cs auf pneumatische Ergänzungsladen stellte sowie noch das Register Dulzflöte 8‘ ergänzte. Diese wurde 1963 wieder entfernt. 1982 ersetzte Eule die Quinte und die Zusatztöne in Originalmensur. Bei der letzten Restaurierung 2016 durch Wegscheider wurde die Stimmtonhöhe wieder rückgeführt und damit der Originalzustand von 1732 weitestgehend wiederhergestellt hat. Die Orgel ist so zu ca. 95 % original erhalten.

Hausorganist Lucas Pohle, der inzwischen an die Nikolaikirche nach Leipzig wechselte, hat zusammen mit Britta Schwarz, Alt, Luise Haugk, Oboe, und dem Dresdener Barockorchester die Orgel portraitiert mit Werken von Bach und Krebs. Ziel war es, die Qualitäten des Instrumentes nicht nur als Soloinstrument vorzuführen, sondern auch in der „Musik“ mit der Alt-Kantate, BWV 35. In der Barockzeit war die Verwendung einer großen Orgel dabei üblich, was unsere Zeit leider sträflich ignoriert. Lucas Pohle ist ein virtuoser Organist, dessen hohe Tempi die Klarheit der Artikulation aber nicht beeinträchtigt. Musikalisch ist das Schnellzugtempo aber problematisch, wirken doch z.B. die Schlusstakte von Praeludium und Fuge G-Dur, BWV 541, nurmehr wie das Geklingel eines Zimbelsterns, den die Orgel aber gar nicht besitzt. Luise Haugk bläst die Melodien von drei Krebs-Chorälen und dessen Sonate mit hoher Kompetenz, die natürlich auch das Dresdener Barockorchester auszeichnet. Die Frage, ob bei der Kantate „Geist und Seele wird verwirret“ die tiefe Frauenstimme die richtige Besetzung ist oder nicht doch die hohe Männerstimme gemeint ist, muss offenbleiben. Auch hier geht Pohle an die Grenzen des Hörbaren, virtuos eindrucksvoll, musikalisch eher fragwürdig. Das Booklet bringt alle notwendigen Informationen in einem knappen Aufsatz von Lucas Pohle, auch die Registrierungen.

Empfehlenswert ist die CD als erste Einspielung der östlichsten Silbermann-Orgel nach ihrer letzten Restaurierung allemal, gleichzeitig bildet sie auch hohen Anreiz, einmal selbst in die malerische Landschaft des Oberlausitzer Berglandes oberhalb des Spreetales zu fahren.



Rainer Goede - für www.orgel-information.de
Januar 2020 / April 2020


Diese CD ist im gut sortierten Buch-/Musikhandel erhältlich
- unter anderem im Notenkeller in Celle (tel. Bestellung 05141-3081600 oder per Mail an info@notenkeller.de möglich).