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Franz Tunder in Perspectief 4

Interpret: Peter Westerbrink
Instrument: Schnitger-Orgel der Aa-kerk Groningen
Label: SIOG


Mit dieser letzten Folge seiner Reihe Franz Tunder in Perspectief stellt Peter Westerbrink seine zuletzt 2016 mit einer Korrektur durch Reil überholte Orgel in der Aa-kerk Groningen (1702, III/heute 46) vor. Neben einigen Werken von Tunder (Praeludium in g (3), Praeludien-Fragment in g, Choralphantasie „Was kann uns kommen an für Noth“ C-Fragment) und einigen anonym gebliebenen Werken stehen Werke von Joachim Decker, Jakob Praetorius (u.a. die sieben Verse zu „Vater unser im Himmelreich“), Samuel Scheidt, Heinrich Scheidemann, Wilhelm Karges, Matthias Weckman (u.a. die sieben Verse zu „Es ist das Heil uns kommen her“) und Daniel Erich auf dem Programm. Im Vorwort geht er vor allem auf seine Interpretationsvorstellungen ein, zu denen ein stärker legato artikuliertes Spiel gehört sowie eine Registrierung, die Mixturen vermeidet und Grundstimmen bündelt.

So zieht Westerbrink zu einer Zunge durchaus auch einmal nicht nur ein 8‘-Register, sondern zwei, was bei der starken Eigenprägung, dem Ansprechverhalten und des klanglichen Volumens der Zungenstimmen der Schnitger-Orgel aber kaum farbliche Folgen hat. So kommt tatsächlich die Hauptwerksmixtur nur einmal ins Spiel bei Weckmans Toccata in A. Vornehmlich zungenbetont sind seine Registrierungen, was zu satten Klangbildern führt. Sein durch ein stärkeres Legato geprägtes Spiel führt ebenfalls zu einem geschlosseneren Klangbild, was die Durchhörbarkeit aber nicht erleichtert. Da die Quellenbeschreibungen zur Artikulation der norddeutschen Meister interpretierbar sind, auch vielfach derzeit ein Non-legato gepflegt wird, was in die Nähe eines Staccato kommt, ist seine Gegenposition sachlich sehr interessant. Der Höreindruck überzeugt nicht immer, genauso wenig wie der bei „Kurzspielern“. Der Mittelweg dürfte hier wie meist der Goldene sein, doch muss das jeder Interpret für sich selbst entscheiden.

Der Schnitger-Orgel kann diese etwas akademische Diskussion nichts anhaben, edel klingen ihre Stimmen aus dem 17. und 18. Jahrhundert. Für alle, die die Orgel, die so lange schweigen musste und hart umkämpft wurde, jetzt wieder hören dürfen, ist die Einspielung allemal ein Genuss. Das ansprechend bebilderte Booklet (niederl./engl.) bringt eine klare Einführung des Organisten, die Disposition und die Registrierungen. Die Zusammenstellung des Programms, in dem freie Werke, Choräle, Partiten und Choralphantasien aufeinander folgen, hingegen überzeugt nicht so recht, ein Roter Faden außer Tunder in Bezug zu seinen Zeitgenossen ist nicht erkennbar. Was aber die Hörfreude nicht trüben kann.

Rainer Goede
November 2020 / März 2021

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